Planetenträger entstehen 2009 im Windkraftgetriebewerk Eickhoff Wind Power GmbH
Das Windkraftgetriebewerk Eickhoff Wind Power in Klipphausen steht vor dem Aus. Aber die Beschäftigten versuchen das Werk nun in Eigenregie zu retten. (Archivbild) Bildrechte: picture-alliance/ ZB | Matthias Hiekel

Windkraft aus Klipphausen Schließungspläne bekommen Gegenwind: Mitarbeiter wollen Getriebewerk selber retten

15. August 2023, 05:00 Uhr

Es klingt kurios. Während Deutschland die Windkraft massiv ausbauen will, macht der Windkraft-Getriebe-Hersteller Eickhoff Windpower im sächsischen Klipphausen dicht. Das Unternehmen mit Sitz in Bochum argumentiert: Die Produktion von Windanlagen lohne sich in Deutschland nicht mehr. Für Verwunderung hat das auch bei den Beschäftigten gesorgt. Sie wollen ihr Werk nun in Eigenregie sanieren, mit der Unterstützung eines Beraters und der Gewerkschaft. Ob das klappt? MDR-Reporter Ralf Geißler berichtet.

Ralf Geißler, Wirtschaftsredakteur
Bildrechte: MDR/Isabel Theis

Wenn die Firma dichtmacht, kann man resignieren oder den Laden selbst retten. Mehr als 150 Mitarbeiter von Eickhoff Windpower haben sich fürs Retten entschieden. Im April erfuhren sie, dass ihr Werk für Windrad-Getriebe im sächsischen Klipphausen schließen soll. Und seitdem, sagt Betriebsrat Jörg Koziol, suche die Belegschaft nach einer Idee, die dem Werk eine Zukunft gibt. Das müsse nicht unbedingt die Windrad-Produktion sein. Man könne große Maschinenteile bauen, Verzahnungen, Getriebe - egal für welches Produkt, meint Koziol. Jetzt müsse man aber aus hunderten Ideen das Beste herausarbeiten.

Wir sind gerade dabei, aus 300 Ideen 30 Ideen zu machen.

Jörg Koziol Betriebsrat

Mit dem finalen Konzept wollen die Eickhoff-Mitarbeiter einen Investor suchen. Er soll ihr gesamtes Werk übernehmen.

Mitarbeiter bieten Betrieb zum Kauf

Dass Mitarbeiter ihren Betrieb zum Kauf anbieten, klingt zunächst abwegig. Aber so abwegig ist das gar nicht. Die Gewerkschaft IG Metall hat schon mehrfach versucht, Betriebe über Mitarbeiter-Konzepte vor der Schließung zu bewahren – mal mehr, mal weniger erfolgreich. Im Bezirk Dresden-Meißen sei es nun das erste Mal, sagt Gewerkschaftssekretär Stefan Ehly. Den Betrieb einfach fallen zu lassen, sei irrsinnig, so Ehly: "Das war keine Option!"

Es wäre völlig irrsinnig, so einen Betrieb einfach fallenzulassen und zu sagen: Dann wird halt der Schlüssel rumgedreht, die werden schon alle Arbeitsplätze finden.

Stefan Ehly Gewerkschaftssekretär IG Metall

Bisheriger Eigentümer unterstützt Vorhaben

Ehly betont, der Noch-Eigentümer unterstütze das Vorhaben. Er habe Personal für Workshops freigestellt. Außerdem könne er viel sparen, wenn sich ein Investor findet. Denn eine Betriebsschließung koste Abfindungen. Vor allem an den sogenannten Interessen-Ausgleich-Sozialplanverhandlungen hänge eine Menge Geld, so der Gerwerkschafter. "Insofern ist es natürlich deutlich sinnvoller, wenn man einen Interessenten hat, der Geld mitbringt und sagt: Ich möchte dieses Werk mit der Belegschaft weiterführen", sagt Ehly.

Investorensuche mit Wirtschaftsinformatiker

Bei der Investorensuche arbeitet die IG Metall mit dem Wirtschaftsinformatiker Peter Rasenberger zusammen. Mit seiner Beratungsgesellschaft ist er darauf spezialisiert, Betriebe zu retten. Sein Motiv neben dem Honorar: Er will einer Deindustrialisierung entgegenwirken. "Wir glauben, dass Länder wie Deutschland, Österreich, die Schweiz eine gut aufgestellte, klassische Industrie brauchen", sagt Rasenberger.

Alles in digitale Geschäftsmodelle zu überführen, sei nicht zielführend. "Etwas provokant formuliert: Unsere Vorstellung ist, dass die Generation Z irgendwann mal ein Problem hat, weil sie mit Lieferando nicht über die Elbbrücken kommen, weil keiner mehr schweißen kann, und dann verhungert man irgendwann im Homeoffice", so der Informatiker.

Wir glauben, dass Länder wie Deutschland, Österreich, die Schweiz eine gut aufgestellte, klassische Industrie brauchen.

Peter Rasenberger Beratungsgesellschaft Grantiro

"Alles, was ein Industriebetrieb braucht"

Rasenberger betont, Eickhoff Windpower habe alles, was ein Industriebetrieb braucht. Eine klimatisierte Werkhalle, moderne Maschinen und motivierte Mitarbeiter. Dafür müsse sich doch jemand finden. Betriebsrat Koziol zeigt sich positiv gestimmt: "Wir sind natürlich sehr optimistisch, sonst hätten wir den Prozess nicht gestartet."

Ende des Jahres wird feststehen, ob das Werk überlebt. Ob die Mitarbeiter schaffen, was ihr Eigentümer für unmöglich hielt: Den Erhalt einer Industrieproduktion im sächsischen Klipphausen.

Warum geht es den Windanlagenbauern nicht besser? Wolfram Axthelm, Chef des Bundesverbands Windenergie verweist auf die Regierungszeit von Angela Merkel. Da sei die Windindustrie geschwächt worden. Fördergelder seien gekürzt, Zubau-Ziele reduziert und Genehmigungen verzögert worden.

Die jetzige Bundesregierung verfolge den gegenteiligen Kurs, sagt Axthelm. Doch das sei in den Auftragsbüchern der Windanlagenbauer noch nicht angekommen. "Und mancher, der seit 2019 eine dramatische Durststrecke hinter sich hat, verzweifelt daran offensichtlich ein bisschen und hat nicht das Zutrauen, dass es jetzt wirklich ab 2024 – und es wird erst 2024 sein – tatsächlich deutlich nach vorne geht im Zubau."

Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | Nachrichten | 15. August 2023 | 05:00 Uhr

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